Fünf Generationen einer Künstlerfamilie zwischen Berlin und Ahrenshoop

Dora Koch-Stetter Selbstbildnis Dora Koch-Stetter Potrait Fritz Koch-Gotha

Mit unserer Sommerausstellung stellten wir Künstler einer Familie vor, in der über Generationen mit Leidenschaft gemalt, gezeichnet, getöpfert wurde. In Ihrem Zentrum standen

DORA KOCH-STETTER (1881 – 1968) & FRITZ KOCH-GOTHA (1877 – 1956)


Erste Generation:
die Berliner Malschule von Elise Stetter

Ausgangspunkt der Künstlerfamilie, die wir in unserer Ausstellung kennen lernten, ist die Malschule von Elise Stetter. Sie stammte aus Berlin, ihr Vater führte die bekannte Universitäts-Druckerei Gustav Schade (Otto Francke), bei der die Creme der damaligen Berliner Gelehrten ihre Bücher und Aufsätze drucken ließ. Sie heiratete Ludwig Stetter, einen erfolgreichen Versicherungskaufmann aus Süddeutschland. Ihre Tochter Dora wurde am 4. Mai 1881 in Bayreuth geboren. Nach dem Tode ihres Mannes zog sie von Bayreuth zurück nach Berlin, folgte ihrem künstlerischen Talent und eröffnete dort eine Malschule für Damen, die lebhaften Zuspruch fand.

Zweite Generation:
Dora Koch-Stetter und Fritz Koch-Gotha

Für ihre Tochter Dora Stetter war der Umzug nach Berlin ein Glücksfall. In der Malschule ihrer Mutter lernte sie mit Pinsel und Stift umzugehen. 1899 besuchte sie drei Jahre die Königliche Kunstschule in Berlin, um Zeichenlehrerin zu werden. Das war typisch für Künstlerinnen ihrer Generation: sie hatten keinen Zugang – wie ihre männlichen Kollegen – zu den Kunstakademien. Der Ausweg: sie nahm privaten Unterricht in den Ateliers von Conrad Fehr, dort unterrichtete auch Walter Leistikow, Johannes Heise, Lovis Corinth und Arthur Segall.

Erste Erfolge hat sie mit ihren graphischen Arbeiten: Radierungen, Lithographien, Holzschnitte. Bald zeigt sich ihre starke Begabung für Porträts. Auf Reisen mit jungen Kolleginnen malt sie Landschaften nach der Natur – Bilder lebhafter, abgestufter, expressiver Farbigkeit. Bei einer Reise nach Belgien prägt sie diesen Stil weiter aus, unter Einfluss von Cezanne, van Gogh und Gauguin gelingen farbig ausdrucksvolle Strandbilder, großflächig, Naturformen werden abstrahiert.

1917 heiratet sie den Zeichner Fritz Koch-Gotha, 1919 wird ihre Tochter Barbara geboren. Dora ist sorgende Mutter und Ehefrau, sie findet jetzt wenig Zeit zur Malerei. Ein Ort für ihre Kunst wird das Fischland: seit 1911 kommt sie regelmäßig auf die Halbinsel, die sie und ihr Mann gleichermaßen lieben, sie haben in Althagen, das heute zu Ahrenshoop gehört, eine Mietwohnung, seit 1927 ein eigenes Sommerhaus. Sie werden zu einem Teil der Künstlerkolonie. Noch 80-jährig zeichnet Dora Koch-Stetter, nach einem Schlaganfall an das Bett gefesselt , mit der linken Hand den Blick aus ihrem Fenster in Althagen. Sie stirbt 1988. Das Museum Rostock ehrte und würdigte die Künstlerin 1964 mit einer großen Einzelausstellung.

Fritz Koch-Gotha wurde am 5. Januar 1877 in Eberstädt bei Gotha geboren. Von 1895 bis 1899 studierte er an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und an der Kunstakademie Karlsruhe Malerei. Seit 1902 lebte er in Berlin und arbeitete als Illustrator und Pressezeichner. Als Mitarbeiter des Ullstein-Verlages zeichnete er vor allem für die Berliner Illustrierte. In diesen Jahren wurde er zum bekanntesten Zeichner und Karikaturisten Deutschlands.

Nach der Hochzeit mit Dora Stetter bekommt ihr Sommerleben auf dem Fischland mit seinen malerischen Orten für beide Künstler eine wachsende Bedeutung. 1924 zeichnet Koch-Gotha für ihre Tochter Barbara dort sein erstes Kinderbuch, die Häschenschule. Text und Zeichnungen dieses Werkes werden noch heute als ironische Darstellung von Schule und Erziehung von vielen geliebt und pädagogisch eingesetzt, die Zahl seiner Neuauflagen ist unübersehbar.

Die Berliner Wohnung der Künstler wird 1944 im Krieg zerstört, große Teile ihres Werkes gehen verloren. Das war eine Tragödie. Seither lebt und arbeitet Koch-Gotha, zusammen mit seiner wachsenden Familie, in ihrem Sommerhaus in Ahrenshoop. Hier gelingt es ihnen, gut zu leben und zu arbeiten, sie führen ein Haus, das zu einem Mittelpunkt wird für Künstler und Freunde, welche Meer und Landschaft an der Ostsee lieben. Fritz Koch-Gotha stirbt 1956.

Dritte Generation:
Arnold und Barbara Klünder

Barbara Klünder, 1919 geboren, Tochter des Malerehepaars Dora Koch-Stetter und Fritz Koch-Gotha, wächst in Berlin und in Althagen auf. Sie will Archäologie studieren, lernt nach der Mittleren Reife zuerst bei der AEG Stenotypistin. Der Beginn des Krieges macht weitere Pläne zunichte. In Berlin trifft sie den Maler Arnold Klünder, sie lieben sich und heiraten 1943. Ein Jahr später wird der Berliner Wohnsitz der Familie zerstört, das junge Ehepaar und ihre Tochter Susanne ziehen mit den Eltern gemeinsam in das Sommerhaus in Althagen.

Arnold Klünder, 1909 in Cammin am Stettiner Haff geboren, stammt aus einer Lehrerfamilie. Das Besondere seiner Ausbildung: er lernt den handwerklichen Beruf eines Malers und studiert danach Malerei an der Berliner Akademie. In seiner Kunst spielen daher die technische Ausführung und die Materialität eine wichtige Rolle. Er reist gern in den europäischen Süden, seine Aquarelle atmen Licht, Farben und Heiterkeit seiner Reiseerlebnisse. Der Krieg zerstört diese Anmutung: da er das Meer liebt, meldet er sich zur Marine, portraitiert seine Kameraden einzeln und in Gruppen in extremen Situationen, die Blätter sind dunkel und bedrückend, man spürt Angst und Niedergeschlagenheit. Nach dem Krieg muss er zum Unterhalt der gewachsenen Familie beitragen. In der Warnow-Werft setzt er seine handwerklichen Fähigkeiten ein und produziert bewunderte Intarsien für die Ausstattung sowjetischer Passagierschiffe. Entscheidend für die Kreativität seiner Familie wird der Aufbau einer Keramikwerkstatt. Seine Frau Barbara lernt das Drehen und Gestalten, Arnold macht die Entwürfe und entwickelt den dekorativen Stil. Die Kunden in Ahrenshoop stehen Schlange.

Vierte Generation:
Susanne Schwandt, geb. Klünder

Susanne Schwandt wurde 1943 in Althagen geboren. Für sie gab es eine glückliche Kindheit auf dem schmalen Landstrich zwischen Meer und Bodden, voller Licht und starker Natur und mit der ganzen Familie unter einem Dach. Das Leben und Arbeiten zu Hause prägte ihren Berufswunsch. Sie wollte Grafikerin werden, wenn möglich Zeichnerin und Buchillustratorin. Nach dem Abitur und einem Praktikum in einer Berliner Druckerei studierte sie an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle (Saale) in der Grafikklasse von Walter Funkat, schloss 1968 mit dem Diplom ab. Sie wurde Mitglied des VBK und verdiente mit verschiedenen künstlerischen Arbeiten ihren Lebensunterhalt. Ab 1972 lebt sie verheiratet in Berlin (West), kommt in diesen Jahren mit drei Kindern nur wenig zur Arbeit für ihre Kunst. Seit 1988 stellt sie sich wieder auf ihren Beruf ein und arbeitet als Trickfilmzeichnerin, Schulbuchillustratorin und später als Illustratorin für Kinderbücher. Susanne Schwandt lebt in Berlin.

Johann und Katharina Klünder

Johann Klünder ist der Bruder von Susanne, 1950 geboren. Er träumt davon, Seefahrer zu werden. Als erstes macht er eine Ausbildung zum Schiffsbetriebsschlosser. Der Beruf des Fotografen bleibt ihm in der DDR verschlossen. Also eine Töpferlehre in der Werkstatt seines Vaters, seit 1974 ist er Handwerksmeister und Mitglied im VBK der DDR. 1976 übernimmt er die väterliche Werkstatt, die er jetzt gemeinsam mit seiner Ehefrau Katharina Klünder betreibt. Sie stammt aus Elbingerode im Harz, nach der Ausbildung zum Gärtner hat sie Musik und Germanistik studiert und ist heute Gesellin im Töpferhandwerk. Johann und Katharina Klünder haben für ihre Keramik einen eigenen Stil gefunden.

Fünfte Generation:
Samuel Schwandt

Samuel Schwandt ist ein Sohn von Susanne und Tell Schwandt. Er wurde 1976 in Berlin geboren. Er ist Vater zweier Söhne. Von Kindesbeinen an ist Malen seine Leidenschaft. Schon im Kindergarten fing er damit an. Von 2003 bis 2007 machte er eine Ausbildung an der FHTW Berlin und schloss 2008 mit einem Diplom als Designer ab. Anregungen für seine Kunst fand er auf Reisen in die Karibik und nach Asien. Seither malt er unermüdlich, seine Bilder wurden in vielen Ausstellungen in Berlin gezeigt. Er schreibt: „Kunst stellt eine wichtige Tatsache in der Welt dar. In ihr steckt ein ganz außerordentliches Potential. In ihr lebt die Jagd nach Schönheit und eine freudige Haltung. Deshalb auch ist Freude eine rebellische Äußerung. Sie ist radikal, besonders in der heutigen Welt.“

Dauer der Ausstellung: 10. Juni 2015 bis 14. Juli 2015

Vernissage
am Mittwoch, 10. Juni 2015, 19 Uhr

Begrüßung: Winfried Sühlo
Einführung: Erdmute Carlini